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Das Mindener Stadtpalais

Wenn man in Minden vom Markt aus an der Martinikirche vorbei Richtung stadauswärts auf der Pöttcherstraße geht, stößt man kurz vor dem Königswall, etwas zurückgesetzt auf der linken Seite, auf ein beeindruckendes Gebäude. Es handelt sich um einen zweigeschossigen, verputzten Steinbau im Barock-Stil, dessen Front mit sogenannten Kollossalpilastern eingefasst und optisch aufgeteilt wird. Dieses Haus ist das einzige Stadtpalais im Mindener Stadtgebiet und stellte im Jahr 2019 seit 300 Jahren den gesellschaftlichen Mittelpunkt Mindens dar.

Die Geschichte


Erbaut wurde das Stadtpalais im Jahre 1719 durch den Regierungsrat Johann Helferich von Huss und seiner Frau in zweiter Ehe, Catharina Hilmers. Ursprünglich war es das Haupthaus eines großen Hofes in der Brüderstraße 20. Ab 1775 existierte das Haus aber als eigenständiges Anwesen. Beschrieben wurde das Haus als eine Hofanlage für höhergestellte Persönlichkeiten, mit Küche, Wagenscheuer, Stallungen, einem Garten und einem Misthaufen. Von 1750 - 66 bleibt das Haus mitsamt dem dazugehörigen Hof im Besitz des Geheimjustizrats von Huss.

1775 versteigert von Huss das Anwesen für 2350 Reichsthaler an Regierungspräsident von der Reck, der das Haus aber offensichtlich bald danach wegen seiner Versetzung verpachtet und später an den Pächter verkauft. Ab 1781 wird das Haus von Regierungspräsident von Dornberg bewohnt. 1791 verkauft der Staats- und Justizminister Freiherr von der Reck den Hof für 4300 Reichsthaler an den Regierungsrat Adolph Ludewig Böhmer. Der Kaufvertrag wird 1818 von dem Reckschen Sohn und Universalerben Freiherr Ernst Eberhard Wilhelm Friedrich Ludwig Carl von der Reck bestätigt. Bewohner zu dieser Zeit ist der Obrist von Klitzing. Als Böhmer Anfang 1819 stirbt, wird seine Witwe, geb. Ledebur, Eigentümerin des Anwesens. Ab 1805 bewohnt Staatsminister von der Reck das Wohnhaus und bezahlt insgesamt 1000 Reichsthaler für das Haus und den Hof an Pacht. 1806 wechselt der Bewohner erneut. Adolph Böhmer, der weitere Häuser in Minden besitzt, pachtet nun das Wohnhaus inklusive der Nebengebäude. 1815 wird das Anwesen an einen Herrn von Golbeck vermietet und 1818 an Regierungsrat Boehmer verkauft. 1833 stirbt die Witwe Böhmer und es wird eine Erbengemeinschaft eingetragen. Die Erben sind Lisette Philippine Sophie Henriette Leslie, geb. Böhmer, Louise Wilhelmine Müller, geb. Böhmer und Caroline Louise Laurette Böhmer.

1852 wird die Witwe des Gerichtsrats Müller Alleinerbin des Anwesens, das sie 1858 für 5000 Thaler an die damalige Freimaurerloge “Wittekind” verkauft. Diese unterhält das Haus zusammen mit der zweiten Loge in Minden, “Aurora”. 1933 werden die beiden Logen liquidiert. Das Eigentum der Freimaurer wird beschlagnahmt und ist seit dem verschollen. 1934 wird das Haus von der NSDAP beschlagnahmt und an den Luftschutzbund vermietet, der hier eine “Luftschutzhauptschule” einrichtet. Nachdem das Anwesen 1953 in verfallenem Zustand an die 1946 neu gegründete Mindener Loge zurückgegeben wird, ist es in einem desolaten Zustand. Finanziell ist die Loge nicht in der Lage, das Haus zu sanieren und verkauft es 1958 für 50.000 DM an die Stadt Minden. Es folgen längere Überlegungen über die weitere Nutzung, bzw. eine Möglichkeit der Wiederherstellung. Ein zwischenzeitlich geplanter Abriss scheitert glücklicherweise an dem Widerstand der Mindener Bevölkerung. 1958 entschließt sich die Stadt, das Haus als Unterbringung für ein Archiv oder die Stadtbibliothek zu nutzen. 1959 beginnt der Umbau durch Dr. Mühlen, Landeskonservator in Münster. Dieser erkannte die historische Bedeutung des Wohnhauses und setzte durch, daß die Substanz größtenteils erhalten bleiben solle. Die künstlerisch wertlosen Nebengebäude jedoch wurden abgerissen. Ab 1960 befindet sich die Mindener Stadbibliothek in dem Haus und nach ihrem Umzug an den Königswall ab 1997 die Verwaltung des Preußenmuseums.

2004 endlich kann die Mindener Freimaurerloge “Wittekind zur Westfälischen Pforte” das Stadtpalais zurückkaufen und findet so nach langer Zeit wieder nach Hause zurück.

Das Wappen


Das gekrönte Allianzwappen oberhalb der Eingangstür besteht aus zwei nach oben zueinander gekippten Teilen, die wie ein Brustpanzer mit einem Helm darauf aussehen und von reichlich floraler Ornamentik umgeben sind. Auf dem linken Brustpanzer, der auch einen Schild darstellen könnte, ist eine Gans auf einem Scheiterhaufen dargestellt. „Hus“ ist das tschechisch/böhmische Wort für „Gans“. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass dieser Helffreich von Huss aus jener Familie Huss stammt, die durch den böhmischen Reformator Jan Hus in die Geschichte eingegangen ist. Im Jahr 1415 wurde der Reformator auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Jan Hus war ein Wegbereiter für Martin Luther, weswegen sich zwischen seinen Forderungen und denen von Luther viele Parallelen finden. Das preußische Königshaus war streng evangelisch-lutherisch ausgerichtet und so könnte es sein, dass unser Helffreich von Huss, der wahrscheinlich evangelisch war, von dieser Abstammung profitierte. Das Wappen seiner Frau Catharina Hilmers zeigt einen aus einer Wolke hervorgestreckten Arm, der drei Ähren hält. Aus dem Helm ragen zwei Flügel empor, zwischen denen sich dieses Symbol wiederholt. Über dem Allianzwappen steht zuletzt die große Krone in der Spitze des Sprenggiebels und vereint so Ehemann und Ehefrau.

Die Treppe


SCHMUCKSTÜCK IM FOYER

Im Foyer des Stadtpalais fällt der Blick sofort auf die imposante Treppe, die ins erste Stockwerk führt.

Die aufwändige Konstruktion aus Eichenholz stand ursprünglich stützfrei mitten im Raum. Die Wand, an der sich die Treppe entlangwindet, wurde erst später eingezogen. Auch die Treppenstufen sind erneuert worden.

Die Krönung ist natürlich das wunderschön geschnitzte Geländer im Régence-Stil, welches aus einem breiten, verschlungenen Band gebildet wird, dessen Felder mit floralen Zierelementen gefüllt sind.

Der ursprünglich rechte Teil des Geländers, sowie das Stück im Obergeschoss wurden 1905 abgebaut und sind leider bis heute verschollen.

Der Saal


ORT FÜR FEIERN UND EVENTS

Im Erdgeschoss befindet sich linker Hand der größte Raum des Hauses. Die Ursprüngliche Verwendung ist nicht klar, doch befanden sich an dieser Stelle bis vor 1866 vier Zimmer. Nach der Übernahme der Loge, wurden diese zu einem Saal zusammengefasst. Hier finden heute die Festessen und Feierlichkeiten zum Anlass freimaurerischer Festtage statt.

Bis zu 80 Gäste finden in dem Saal Platz. Vorträge, Konzerte und Geburtstagsfeiern fanden hier in den letzten Jahren statt. Ein Nachhall der Vergangenheit als sozialer Mittelpunkt Mindens.

Der Saal kann auf Anfrage für Feiern, Vorträge, Konzerte, oder ähnliches gemietet werden..

DIE FREIMAURER IN MINDEN


EINE VERSCHWIEGENE GEMEINSCHAFT

WITTEKIND ZUR WESTFÄLISCHEN PFORTE IST EINE DER ÄLTESTEN LOGEN IN DEUTSCHLAND.
NACH DEM MINDENER BÜRGERBATAILLON IST DIE MINDENER FREIMAURERLOGE DIE ÄLTESTE VEREINIGUNG IN DER WESERSTADT

Nach dem Dreißigjährigen Krieg, im Westfälischen Frieden, gehörte Minden zum Königreich Brandenburg. 1701 entstand aus Brandenburg Preußen und so wurde Minden preußisch. Über Preußen und Hannover bestanden enge Kontakte nach England, so dass im Jahre 1748 eine britische Loge in Minden gestiftet wurde, über deren weiteres Wirken aber nichts bekannt ist.

1759, während des Siebenjährigen Krieges, kam es zur “Schlacht bei Minden”, in der preußische, hannoversche und britische Truppen gegen französische und sächsische Einheiten kämpften. Eigentlich eine „kleine Schlacht“, die aber dazu beitrug, den britischen Einfluss weltweit zu begründen. Die Kirchenbücher berichten, dass sich hernach einige Briten in und um Minden niederließen.

Am 10.11.1780 gründeten neun Freimaurer der Pyrmonter Loge unter dem Vorsitz des Regierungspräsidenten von Breitenbach die Loge „Wittekind zur Westfälischen Pforte“. Das Original der sehenswerten Stiftungsurkunde ist noch immer vorhanden. Der altehrwürdige Text wird jedes Jahr beim Stiftungsfest vom Sekretär verlesen.

Ende 1780 wurde in einer anderen Lehrart die Loge „Aurora“ gestiftet. Beides waren Johannislogen und so die Basis unseres stufenweisen Weges. Um in Minden auch die nächste Stufe beschreiten zu können, gründete sich 1783 die altschottische Meisterloge „Westfalia“, die bis 1933 bestand. 1822 waren von 9376 Mindenern 117 Mitglieder der Freimaurerlogen!

Die drei deutschen Logen trafen sich ab 1858 im Logenhaus (heute Pöttcherstraße): Ein gesellschaftlicher Mittelpunkt, wie ein Zeitgenosse schrieb. Zum 100. Stiftungsfest 1880 gab es ein Glückwunschschreiben von Kaiser Wilhelm I und des Kronprinzen Friedrich Wilhelm.

Die Nationalsozialisten hatten sich von Anfang an mit allen Mitteln der Demagogie gegen die Freimaurerei gewandt. Freimaurer wären ein verlängerter Arm der Juden, auch würden die Freimaurer im Geheimen unrechtmäßige Dinge tun. Sämtliche Logen wurden 1933 zwangsweise geschlossen, die Logenhäuser enteignet. Einiges konnten engagierte Brüder zuvor noch an Büchern und Gegenständen retten.

1946 wurde dann die Freimaurerei wieder zum Leben erweckt. Die Logen „Aurora“ und „Wittekind zur Westfälischen Pforte“ vereinigten sich zur jetzigen Loge „Wittekind zur Westfälischen Pforte“. Von der Loge „Aurora“ wurde die Lehrart übernommen, von der Loge „Wittekind zur Westfälischen Pforte“ der Name.

Minden gehörte zur britischen Besatzungszone. Englische Brüder gründeten hier 1972 die Feldloge „The Rose of Minden“, die nach dem Abzug der britischen Truppen aus Minden heute in Herford weiter besteht.